Die Studie "Kirchenaustritt - oder nicht?

Warum treten Menschen aus der Kirche aus – und was kann die Kirche tun, um diesen Trend zu stoppen? Diese Fragen stehen im Zentrum einer Studie, die jetzt eine Projektgruppe des Bistums Essen erstellt hat, und die im Herder-Verlag mit dem Titel „Kirchenaustritt – oder nicht? Wie Kirche sich verändern muss“ erschienen ist. 

„Es kann doch nicht sein, dass uns innerhalb der Kirche völlig egal ist, wenn eine erschreckend hohe Zahl getaufter Katholikinnen und Katholiken enttäuscht, frustriert oder gar zornig zum Amtsgericht geht, um den Austritt aus der Kirche zu erklären“, schreibt der Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, im Vorwort des Buches. Ausgetretene und Austrittswillige müssten für die Kirche „wichtige Ansprechpartner“ sein – auch wenn sie der Kirche „ein äußerst kritisches Feedback“ zumuten, so Pfeffer.

Einiges von diesem kritischen Feedback bildet die insgesamt fünfteilige Kirchenaustritts-Studie ab. So stellt ein Team der Uni Siegen und der CVJM-Hochschule Kassel die Ergebnisse qualitativer Interviews mit Menschen aus dem Ruhrbistum vor, die aus der Kirche ausgetreten sind, und die für diesen Schritt sehr differenzierte Gründe nennen. Diese vielschichtige Sicht bestätigt ein weiterer Abschnitt des Buchs – die sogenannte Meta-Studie über bisher erschienene relevante Studien rund um die Themen Kirchenmitgliedschaft und -Austritte. Aus dieser Zusammenschau haben Wissenschaftler des Zentrums für angewandte Pastoralforschung an der Ruhr-Universität Bochum sieben „Dimensionen der Kirchenmitgliedschaft“ entwickelt, die zeigen, dass die Entscheidung für oder gegen einen Kirchenaustritt von deutlich mehr Aspekten abhängt als von der Kirchensteuer oder einer Skandal-Meldung in der Presse. Im dritten wissenschaftlichen Abschnitt entwerfen Theologen des Berliner Instituts M.-Dominique Chenu das Bild einer „Kirche mit offenen Rändern in Bewegung“ als Alternative zum starren Mitgliedschaftskonzept des „drinnen oder draußen“. 

Eingerahmt werden diese drei Kapitel von einem Überblick über die historischen und finanziellen Aspekte von Kirchenaustritten sowie einem Ausblick, in dem die Herausgeber strategische Konsequenzen für die katholische Kirche in Deutschland vorschlagen. Dazu werden verschiedene Empfehlungen in den Bereichen „Qualität der Pastoral“, „Mitglieder-Management“ und „Image und Identität der Kirche“ beschrieben. Die Studie bietet für die Entwicklungsprozesse im Bistum Essen und anderen deutschen Diözesen einen Reflexionsrahmen, der gerade die Perspektive der Austrittswilligen berücksichtigt. 

Herausgegeben wird die Studie von drei Mitgliedern der Projektgruppe, die sich im Zukunftsbild-Prozess des Bistums Essen seit bald zwei Jahren mit dem Thema Kirchenaustritte beschäftigt: Markus Etscheid-Stams, persönlicher Referent von Generalvikar Pfeffer, Regina Laudage-Kleeberg, Leiterin der Bistums-Abteilung Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, und Thomas Rünker, Leiter der Projektgruppe und Redakteur in der Kommunikationsabteilung des Bistums. Aus den Empfehlungen der Studie entwickelt die Projektgruppe konkrete Maßnahmen für das Bistum Essen und schlägt diese im Frühjahr der Bistumsleitung vor. 

Die zentralen Ergebnisse der Studie:

  • Es gibt einen Zusammenhang zwischen Kirchensteuer und Kirchenaustritt, die Kirchensteuer ist dabei jedoch eher Auslöser als tatsächliche Ursache für einen Kirchenaustritt. Die wesentlichen Gründe für Kirchenaustritte sind „Entfremdung“ und „fehlende Bindung“. 
  • Die Qualität der Seelsorge in den Gemeinden vor Ort ist für viele Kirchenmitglieder entscheidend: Die Erfahrungen gerade im Zusammenhang mit besonders persönlichen Gottesdiensten wie einer Taufe, Trauung oder Beerdigungen sind für sehr viele Kirchenmitglieder ein wichtiges Kriterium. Viele Gläubige leitet dabei ein „Kosten-Nutzen-Kalkül“, heißt es in der Studie: Wenn etwa positive Erfahrungen bei der Erstkommunion der Kinder durch schwerwiegende Enttäuschungen getrübt werden, kippe die „Waage“ auf die negative Seite und ein Austritt sei oft die Folge.
  • Eine besondere Herausforderung nennt die Studie die bewusste Hinwendung der Kirche zu den Menschen, die wenige oder keine kirchliche Angebote nutzen, diese aber mit ihren Kirchensteuern finanzieren. So liegt der Anteil der Gottesdienstbesucher bei den regelmäßigen Zählungen bei nicht einmal zehn Prozent der Kirchenmitglieder. Die anderen mehr als 90 Prozent erfahren eher wenig Beachtung. Hier plädiert die Studie für neue Wege der Beteiligung, eine verbesserte Erreichbarkeit von kirchlichen Institutionen und regt ein professionelles Mitgliedermanagement an. 
  • Einen besonderen Fokus sollte die Kirche zudem auf die Gruppe der 25- bis 35-Jährigen legen – in diesem Alter ist die Zahl der Kirchenaustritte besonders hoch.
  • Entscheidend ist aus Sicht der Studie zudem das „Erscheinungsbild der Kirche“, das mit einer „nicht mehr zeitgemäßen Haltung“ verbunden ist. Die Kirche müsse massiv an ihrem Image von Rückschrittlichkeit arbeiten, wenn sie Austritten entgegenwirken wolle. Dabei dürfe es – etwa in den Bereichen Macht- und Hierarchiewahrnehmung sowie Sexualmoral – nicht nur um die „Verpackung“ gehen, sondern um den eigentlichen Inhalt, zum Beispiel beim Umgang mit Homosexuellen oder wiederverheirateten Geschiedenen.

Stichwort: „Kirchenaustritt – oder nicht?

Das Buch „Kirchenaustritt – oder nicht? Wir Kirche sich verändern muss“ erscheint unter der ISBN 978-3-451-38071-6 am Montag, 19. Februar, im Herder-Verlag und ist für 25 Euro im Buchhandel erhältlich.

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